langsam reicht(s)

Gedanken von Manuel

Eine Freundin schenkte mir kürzlich eine Postkarte mit der Aufschrift «langsam reichts», das «s» ist durchgestrichen und eine Schnecke rundet das Bild ab. Beides passt gut in diese Zeit.

«Langsam reichts»: die alten Muster und Glaubenssätze, die ganz persönlichen aber auch die Gesellschaftlichen, dürfen den Fluss runter und ausgewaschen werden.

«Langsam reicht»: Das vorgegebene Tempo an welches wir uns so gewöhnt haben, darf in vielen Fällen gedrosselt werden.

Wie oft übergehen wir uns? Wie oft haben wir das (Bauch-)Gefühl, dass irgend etwas nicht ganz stimmig ist. Und dann? Was machen wir dann? Weiter machen! Kann ja wohl nicht so schlimm sein. Anderen gehts dreckiger, also tu nicht so oder etwas klarer: reiss dich zusammen! Ja, man findet immer welche, denen es schlechter geht.
Wie bei allem, ist es auch hier wichtig eine gute Balance zu finden. Den Fokus auf das Wesentliche und auf das mir Förderliche zu richten. Mit dauerndem wegdrücken der eigenen Gefühle ist es leider nicht mehr getan. Das verstärkt den Druck den wir eh schon «ungefragt und/oder unbewusst» mit uns herum tragen. Das führt, folge dessen, früher oder später zu einen Überdruck bis die Energie naturgemäss irgendwo einen Weg nach draussen findet. Manchmal platzt es unkontrolliert heraus, manchmal schleichend. Oft drückt es sich durch körperliche Symptome oder durch Aggression aus. Das ist ja nix Neues…

Kurz vor Ostern hatte ich einen Unfall. Einen Sturz. Bei Freunden zu Besuch wollte ich nach dem Essen meine Schuhe und Jacke für einen Waldspaziergang aus dem Bus holen.

Es lag etwas in der Luft. Mein innerer Druck, wie oben beschrieben, der sich immer mal wieder meldet. Ein alter bekannter Zustand den ich kenne, aber nur schwer in Worte fassen kann. Bei mir äussert sich das mit dem Gefühl, dass mein Nervenkostüm, mittlerweile gut spürbar, dünner und dünner wird. Ein Zustand von; ich müsste doch, aber ich kann nicht. Ein innerliches reissen von mehreren Seiten. Gerade auch deshalb freute mich auf den Wald. Weil ich aus Erfahrung weiss, dass die Bäume und der Duft des Waldes mein Nervensystem beruhigen und mir Kraft schenken.

Als ich mit der Jacke und den Schuhen in der Hand aus dem hinteren Teil von LeuLeo (so heisst mein Bus) aussteigen wollte, ging es sehr schnell. Der Boden unter meinen Füssen gab nach und es knallte. Im nächsten Moment spürte ich die vom Regen nasse Wiese in meinem Gesicht. Ein stechender Schmerz im Rücken welcher in den Körper ausstrahlt. Der Kopf - hellwach. Mein erster Gedanke: «Das ist jetzt gar nicht gut». Die Zeit steht in dem Moment still. Aufstehen geht nicht. Instinktiv versuche ich meine Finger und meine Füsse zu bewegen. Aufatmen. Es geht. Nur das Atmen geht kaum. Meine Lunge ist wie eingeklemmt. Langsam atmen. Ich weiss nicht wie lange ich auf der Erde lag. Irgendwann konnte ich mich aufrappeln und mich zum Haus schleppen. Auf dem Sofa liegend und von Claudia und dem befreundeten Paar umsorgt, fing mein Körper an den Schock raus zu zittern. Das kenne ich unter anderem von eindrücklichen Bildern aus der Tierwelt. Wie gut, dass das bei uns Menschen auch funktioniert. Als mein Arm dann langsam taub wurde, es sich für mich anfühlte, als würde ich ihn verlieren, war dann doch die Zeit für den Notarzt.

Jetzt, wenige Tage später, wo ich diese Zeilen schreibe, bin ich vor allem dankbar. Dankbar, dass es das Leben gut mit mir meint. Das unsere Schulmedizin in solchen Fällen so schnell und zuverlässig funktioniert. Ein paar Stunden nachdem ich die Schwerkraft getestet hatte, ich mit Steissbein und Rücken auf die scharfe Metallkante knallte, wurden mit Röntgenbilder und Ultraschall innere Verletzungen und Brüche fürs erste ausgeschlossen. Und die Schmerzmittel lassen mich atmen, so dass Komplikationen in der Lunge durch ein zu flaches Atmen nicht zum Thema werden müssen.

Und jetzt? War das einfach ein doofer Unfall den man wegsteckt und danach so schnell wie möglich weiter macht? Es war ja nicht so schlimm.

Ich frage mich: Was genau ist dieser Zustand der da vor dem Sturz war, ich nenne es mal der Einfachheit halber «Druck» welcher uns aus der Mitte holt. Welcher uns unachtsam werden lässt. Ein Zustand der mir in meiner Körperarbeit von vielen Klient*innen, schon in vielen Facetten beschrieben wurde. Was steckt da alles drin.

Welche Bilder, wie etwas zu sein hat, macht uns zu Hamsterradläufer*innen und Wegdrücker*innen? Natürlich ist das bei jedem Menschen individuell und doch kennen sehr sehr viele dieses Gefühl. Und in dem drin haben wir viel Gemeinsames. Individuelles? Kollektives? Wohl beides.
Was ist das, was uns immer mal wieder auf dem sogenannten Schlauch stehen lässt? Und was ist die heutige Normalität - hier bei uns?

Mein Erleben ist, dass das was ich als normal gelernt habe immer abnormaler - und das sogenannte abnormale immer normaler wird.

Ich bin in den letzten Jahren zu einem «Lebenserforscher» geworden. Lange Zeit in meinen jüngeren Jahren hatte ich das Gefühl, ich sei der einzige «Honk» (wie es eine Freundin aus Deutschland sagen würde) auf diesem Planeten. Bis ich eines Tages einem Artikel begegnete der ein Symptom beschrieb welches ich auch kannte aber bis dahin mit niemandem teilte. Dieses Symptom hat sogar einen Namen: Misophonie. Später zeigten Tests unter anderem auch, dass ich mehrere Unverträglichkeiten habe, ein genetisch bedingt schlechter Entgifter bin, dass ich «sogenannt» hochsensibel sei und «neuerdings» habe ich auch ein ADS.
Dieses «faktische» Wissen erlebe ich als zweischneidiges Schwert. Einerseits entlastet es, andererseits fordert es mich noch mehr.

Die Frage was ist normal oder wie abnormal das Normale in unserer Gesellschaft geworden ist, treibt mich gerade um. Gefühle zulassen und sich somit auch verletzlich zeigen ist in unserer Gesellschaft, nach wie vor verbreitet, ein Tabu. Wir haben als Gesellschaft zig Jahre Patriarchat in den Knochen. Wir sind alles verletzte, traumatisierte Wesen die immer noch meinen stark sein, sei der einzige «richtige» Weg. Nicht nur, aber vor allem auch die Männer. Es braucht nicht starke Männer und starke Frauen. Es braucht gesunde Männer und gesunde Frauen und ja, gerne auch Mischformen. Wir sind eh alle auch beides. Und ja, das Wort «gesund» wie auch das Wort «stark» sollten wir, wie so vieles, neu abgleichen und klären.

Was bedeutet es für dich?

Und gerne eine weitere Frage in den Raum: Wie steht es um das Männliche und das Weibliche in dir drin? Wie stehst du zu ihnen und wie stehen sie zueinander? Was sind deine Bilder dazu?

Neues darf entstehen. Neues darf sein. Es geht nicht von heute auf morgen. Wir sind ja auch nicht erst seit gestern da wo wir sind.

Langsam reichts mit dem Alten.

Langsam reicht. Dafür liebevoll und nachhaltig. Jede*r in seinem ureigenen Tempo.


Danke für dein Interesse und für deine Zeit.
Wenn du mit Claudia und/oder mir das Leben weiter erforschen möchtest, dann lade ich dich ein unsere Angebote anzuschauen. Ich freue mich mit Kopf, Herz und Bauch auf deine Resonanz.
https://www.bewegtewege.ch/aktuell.html

Manuel


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Wandtafel in Ottenbach. Inspiriert von einer Postkarte. 13.4.2023 Manuel


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schwarz und weiss

Farbige Gedanken von Claudia

Um es schon vorweg zu nehmen, hier meine neuste Erkenntnis: zwischen schwarz und weiss ist nicht grau. Ausatmen!

Aber von vorne. Schwarz: klar, stark, unverrückbar und geheimnisvoll - ein Statement. Von Gothic, zur klassischen Beerdigung, zum kleinen Schwarzen- du kannst nichts falsch machen, bist in Sicherheit.

Weiss: Klar, stark, rein, und und ebenfalls eine Aussagekraft mit Potential. Von der Taufe, zum Ärztekittel, zu Uriella: es ist klar um was es geht und steht nicht zur Diskussion.

In den Polen findet sich also Klarheit und Sicherheit. Da kannst du ausruhen und auf eine besondere Art bist du nicht alleine. Auch wenn sie vielleicht nicht da sind, es gibt Verbündete, es gibt einen Konsens, auf eine besondere Art bist du im Recht.

Ja, und Recht haben, sind wir ehrlich, ist ein unglaublich schönes Gefühl. Alles kann innerlich zur Ruhe kommen.

Teile ich mit Gleichgesinnten eine Meinung breitet sich Wärme aus, je nach dem sprudelt auch Freude, es pulsiert eine leise Erleichterung. Es webt sich ein starkes Band der Zusammengehörigkeit. Ich habe einen Clan - Schutz und Sicherheit.

Bin ich dagegen in einer angeregten Diskussion und ich spüre meinen klaren Standpunkt, zeigt sich die Wärme als hitzige Leidenschaft, das Feuer brennt, ich fühle mich stark und lebendig. Auch wenn mein Clan nicht da ist, kann ich mich auf Gleichgesinnte, auf Studien auf „Beweismaterial“ beziehen und bin ebenfalls nicht allein.

Eine „richtige“ Position zu vertreten scheint erwachsen zu sein. „Man“ muss eine Meinung haben um „jemand“ zu sein. In unserer Kultur sind wir da wiedermal im Dilemma. Wir wollen und sollen Charakter, Kante und Format haben, aber bitte niemandem jemals ins Gärtli treten.

Könnte die Rettung demnach zwischen den Polen liegen? Doch was Zwischendrin ist wissen wir ja: mäuschengraues Wischiswaschi, eine Unposition. Das ist halt einfach nur unreif. Dort lebt die Unklarheit, das Hin- und hergerissen-sein, das Nicht-entscheiden-können. Es ist das Reich der Waschlappen und Warmduscher, der Muttersöhnchen und Weicheier*innen. So ist es.

Glaubst du das? So ist es natürlich nicht, oder viel treffender gesagt: nicht nur!
Die Polaritäten können auch ein gutes Versteck sein und der Raum dazwischen ist viel mehr als grau.

Dazu eine kurze Rückschau: In den letzten Jahren hat sich mein Leben immer mehr vom der wilden Achterbahnfahrt zu einem Sonntagnachmittagsspatziergang entwickelt (und auch hier: nicht nur! Sich immer mal wieder überfordert und gefrustet zu fühlen, gehört offenbar zum gesunden Wachstum).
Zu Beginn, hat die Veränderung viel Ruhe und Erleichterung gebracht. Es gab viel zu staunen. Es geht auch anders! Eine Beziehung braucht gar kein Drama um lebendig zu sein. Ich muss mich mit einem Job gar nicht identifizieren um dort gute Arbeit machen zu können. Ich muss mich nicht bei jedem Wetter und in jeder Verfassung in den Strassenverkehr „schmeissen“. Wow! Ich kann tatsächlich selbst bestimmen und muss mich nicht mit Haut und Haaren allem verschreiben was mir wichtig scheint.
Oh, und dann plötzlich: Ich spüre wie das Damokles Schwert des Langweiler - und Bünzlitums unheilvoll über mir hängt. Vor meinem inneren Auge sehe ich alte Ehepaare, die sich immer ähnlicher werden, kleiner, grauer leerer und in der harmonischen Anpassung, ihr Format, ihre Kanten, ihre Eigenheit dem vermeintlichen Frieden opfern. Zu Ende gedacht, werden ihre Aussagen immer gleicher, farb- und phantasieloser und am Schluss fühlen sie sich, momol, wohl im warmen Einheitsbrei und sehen dabei aus, wie ihr Pudel (nichts gegen den Pudel- in ihm ist ja aller Wahrscheinlichkeit nach „Pudel“ angelegt und ich gehe davon aus, er verkörpert sein Potential).
Blüht mir dieses Szenario oder ist das absurd?!

Ich habe meine Befürchtungen zur Seite geschoben und meine persönliche Faktenlage gecheckt. So richtig systematisch mit Fragen und radikaler Ehrlichkeit.
  • wie sind sich meine Beziehungen am verändern?
  • wie gestaltet sich mein beruflicher Weg /mein Berufungsweg?
  • wie entwickeln sich meine persönlichen Baustellen?
  • wie geht es meinem Körper, was verändert sich gesundheitlich?

Meine Antwort wurde schnell klar:
Zwischen schwarz und weiss ist nicht grau, sondern bunt.
Zwischen schwarz und weiss tanzt die Freiheit!
Ich habe eine Wahl.

Die magischen Wundermittel? Nicht recht haben müssen. Loslassen können. In Verbindung mit mir selbst und der Welt bleiben.

Wieviel Energie plötzlich frei wird, wenn ich keine unnötigen Kämpfe mehr austragen muss! Wie erleichternd, wenn ich mich vom „entweder oder“ zum „sowohl als auch“ frei bewegen kann und die Möglichkeiten schwarz, weiss
und bunt sind.

Natürlich setzte ich mich weiterhin (und durchaus auch mal leidenschaftlich) für alles ein was mir am Herzen liegt. Gleichzeitig die Offenheit zu haben
wirklich zuzuhören macht mich wach und munter. Ändere ich meine Meinung, weil mich Argumente überzeugen, fällt mir kein Zacken aus der Krone. Dabei fühle ich mich auch nicht wie ein graues Fähnlein im Wind, sondern erlebe den Raum zwischen schwarz und weiss reich, lebendig und wie gesagt: bunt.
Endlich weiss ich weshalb die Friedensflagge in den regenbogenfarben daherkommt.

Vielleicht sind dir meine Gedanken zu schwarz oder weiss? Dann hoffe ich, dass es dich inspiriert, dir deine eigenen bunten Gedanken zu machen und diese in die Welt zu tragen.


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Collage «pudelwohl» von Manuel


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Regenerieren, entgiften, stärken

Gedanken zum Jahresende 2022 von Manuel

Heute ist der 31.12.2022. Das Jahr geht zu Ende und das Neue steht vor der Tür, wie man so schön sagt.
Kurz nach Weihnachten hat mich zum wiederholten mal in diesem Jahr, die Grippe erwischt. Einmal mehr bin ich damit konfrontiert meine Vorstellungen und Pläne los zu lassen. Ich hatte Pläne, was am Ende des Jahres noch alles zu tun ist. Auch wie ich Silvester verbringen werde. Die Aufgabe jetzt: mich in den Moment hinein entspannen. Dies ist nicht ganz einfach. Und doch, langsam gelingt es mir besser. Es gibt nichts zu tun, ausser im hier und jetzt zu sein. Nicht gestern, nicht Morgen. Jetzt!
Ich darf mich immer wieder darin Üben, dass es anders kommen darf als mein Kopf es sich ausgedacht hat. Und die Erfahrung zeigt, dass dies nicht schlecht sein muss. Oft ist daraus unverhofft Gutes und Neues entstanden.
Schlussendlich ist diese momentane Grippe ein Ungleichgewicht in mir. Seit ich im Spätsommer auf eindrückliche Art die Bekanntschaft mit dem Coronavirus machte, habe ich das Gefühl, dass mein Immunsystem nicht in die gewünschten Form zurück gefunden hat. Aber auch diese «gewünschte Form», ist wohl in erster Linie eine Vorstellung von meinem Kopf, wie es zu sein hätte.
Im Grunde bin ich mit Gesundheit gesegnet und sehr dankbar dafür, mir geht es gut. Ja, sogar sehr gut. Das vergangene Jahr brachte mich unverhofft mit meiner Wut in Berührung. Ich besuchte, nachdem auch damals alles anders gekommen war als gedacht, eine für mich wegweisende Weiterbildung. Ich machte dort eine tiefe Erfahrung mit meiner Wutkraft. Im Frühjahr durfte der Anteil in mir, der alles kontrollieren muss, endlich mal Kaffee trinken gehen, dies ermöglichte mir einen Einblick in meine Innenwelt, den ich so nicht kannte. Und für den Teil, der schnell überfordert ist, gab es eine plausible Erklärung aus der Ahnenreihe. Weitere für mich wichtige Anteile durften in diesem Jahr integriert und angenommen werden…
Ja, ein volles Jahr. Und das alles neben dem Alltag mit vielen persönlichen Herausforderungen und nährenden Kulturveranstaltungen. Aber auch mit den globalen Konflikten, dem Krieg und mit dem Klimathema und dessen Auswirkungen.
Ja, wirklich ein sehr volles Jahr. Dass dies zum Ende hin - in die Zeit der Rauhnächte - ein Ungleichgewicht bringen kann, welches Zeit zum Ordnen und Integrieren braucht, finde ich grad gar nicht mehr so unlogisch.
Es ist alles im Fluss, wie man auch so schön sagt.

Regenerieren, entgiften, stärken.

Auf das wir unsere antrainierten Panzer wieder beweglicher und durchlässiger machen und uns authentisch begegnen dürfen.

Ich freue mich auf das kommende Jahr, auf die neuen Herausforderungen. Und ich bin sehr dankbar für das was war, was mich zu dem macht, was ich heute bin, hier und jetzt.




Krieg und Frieden in meinem Jahr 2022

Gedanken zum Jahresende 2022 von Claudia

Wie war dein Jahr 2022 werde ich zur Zeit ab und zu gefragt.
Das Bild das dazu auftaucht: ich habe mir selbst den Teppich ausgerollt.
Es war ein weiteres Jahr mit vielen auf und ab’s.
Kaum angekommen hat die Situation in der Ukraine und Russland das Thema Krieg und Frieden einmal mehr mit so einer Wucht in den Weg gestellt, dass es kein Vorbei gab.
Es ist unangenehm mit diesen Themen konfrontiert zu sein. Es tut weh zu hören und sehen, dass Menschen in der Verzweiflung kämpfen und töten, provozieren, blind agieren, resignieren oder fliehen müssen. Ja, es schmerzt dem „unmenschlichen“ in unserem Mensch-sein zu begegnen. Und gleichzeitig sind da auch all die Menschen die sich entschieden haben einen anderen Weg zu gehen. Nicht nach der Schuld zu fragen. Nicht verurteilen. Es nicht besser wissen. Es gibt die Menschen, die nicht müde werden an den Frieden zu glauben und dafür einzustehen. Zum Glück gibt es sie, die stillen und auch die lauten Friedensstifter im Gossen und Kleinen! Da kann ich aufatmen. Doch es gibt viele Gründe die Luft sofort wieder anzuhalten…was passiert grade mit unserer Natur, unserer Gesundheit, unseren Arten, unserem Planeten… Ein 9jähriges Kind hat mir dieses Jahr schulterzuckend gesagt: „ Ich weiss, aber ich kann ja eh nichts machen.“
Wie kommen wir immer wieder auf die Idee nichts machen zu können?!
Wie können wir vergessen, dass wir mit dem „Nicht-machen“ genauso etwas bewirken.
Leider oft ganz und gar nicht was wir wirklich wollen. Wie gesagt, Krieg und Frieden, das hat mich sehr bewegt. Wie schaffe ich es unter all dem destruktiven Irrsinn, unter all den düsteren Aussichten nicht ohnmächtig zu erstarren, oder ins beschuldigen oder resignieren zu rutschen? Für mich war es wie immer wichtig etwas bewegen zu können. Einmal mehr konnte ich erleben: wenn ich mich bewege, bewegt sich etwas. Das ist schon mal gut.

So haben Manuel und ich in kürzester Zeit das Friedensfest auf die Beine gestellt um gemeinsam mit den Besuchern das Leben zu geniessen, (ich wage das kaum zu schreiben, aber jawohl: geniessen und feiern!) und dabei im Kleinen Geld zu sammeln für eine grosse Bewegung. Weg von der Schuld und dem Beschuldigen hin zum Frieden wirksam leben - hier und jetzt.
Es war soviel Unterstützung da, soviel Erleichterung und Freude etwas beitragen zu können. Das war nach dem ersten Schreck ein nährender Sprint in der ersten Jahreshälfte.
Das Leben ist ja aber eben kein Sprint sondern eher ein Marathon - auf jeden Fall braucht es zünftig Ausdauer um am Ende eines jeden Jahres nicht ausgebrannt zu sein.
Die sehr fragile Weltsituation hat dann auch mein inneres fragil-sein geweckt. Nebst der starken, selbstbewussten Frau die ich durchaus auch bin, wollte die ganz verletzliche und zarte Seite in mir gesehen werden. Mit diesem Teil in mir ehrlich in Berührung zu gehen und ihm auch wirklich die eingeforderte Aufmerksamkeit in meinem Alltag zu gewähren, gehörte
(vor allem zu Beginn) nicht zu meinen Lieblingsaufgaben. Es forderte viel Selbstfürsorge, Verlangsamung, mehr Pausen und eine radikale Ehrlichkeit mit „wer und was tut mir gut“, damit meine Energie im Fluss bleiben konnte.
So wurde einmal mehr klar, dass ich (doch tatsächlich ; )) selbst verantwortlich bin um zufrieden und lebendig zu bleiben und das was mir am Herzen liegt in die Welt zu bringen. Ich darf den Teppich einfach holen und muss nicht darauf warten, dass er für mich ausgerollt wird.

Nun, der Teppich hat ziemlich lange in einem Keller gelegen. Das ausrollen hat viele alte Geschichten, Erinnerungen, viel Staub und Dreck ans Tageslicht gebracht. Am liebsten hätte ich einfach einen anderen, am besten einen neuen Teppich gehabt. Es war aber absolut klar: es ist mein Teppich und ich brauche ihn unter meinen Füssen um an meine ganze Kraft zu kommen und gestärkt ins Neue hineinzuleben. Es blieb also keine Wahl. Ich konnte ihn nicht wegKriegen. Einzige Option: in liebevoller Zuwendung vom Staub und Dreck befreien und mit den Flecken die bleiben leben lernen.
Vielleicht kann ich sie irgendwann sogar gern bekommen, wer weiss… Ich habe viele Tränen geweint.
Bevor es sich wandeln konnte, hat es sich oft schwer und aussichtslos angefühlt. Vieles durfte heilen und wurde leichter und lichter - und wie!

Was hat geholfen?
Wäre ich alleine auf der Welt wäre alles für nichts. Ich bin umgeben von einem Wunder, das sich bedingungslos verschenkt. Da ist die Sonne die Licht und Wärme bringt. Da ist das Wasser, die Luft, die Erde, die trotz dem kontinuierlichen vergiftet werden bedingungslos geben was sie können und uns so Leben ermöglichen. Die Natur sucht sich sozusagen pragmatische Wege um am Leben zu bleiben und zeigt mir: solange es lebt ist es nicht zu spät. Und dann sind da all die Menschen, Tiere und auch Pflanzen die mich durch dieses Jahr begleitet haben. Mir soviel Vertrauen geschenkt haben. Mich gehalten haben. Mich nicht allein gelassen haben. Mich genährt haben. Mit mir gelacht haben. Mit mir geweint haben. Mich konfrontiert haben. Mich provoziert haben. Mir vergeben haben. Mich in Ruhe gelassen haben. Mit mir gestaunt haben. Mit mir gebangt, gehofft, angepackt und das Leben getanzt haben…
Die Weiterbildung in systemischer Naturtherapie und damit auch mein Herbst in Griechenland haben dieses Wissen um die lebendige Hoffnung, in einer elementaren Tiefe zu neuem Leben erweckt. Ebenfalls geholfen hat der kreative und intuitive Ausdruck durchs ganze Jahr.
All die Eindrücke die das Leben mit seinen Höhenflügen, Abgründen und Zerreissproben liefert, in einen Ausdruck zu bringen bevor der Innendruck zur Explosion (und zum Krieg) führt, war weiterhin absolut zentral für mich.
Und jetzt ist der 29. Dezember 2022 und ich bin dankbar, wach und zuversichtlich.
In mir sind die Waffen niedergelegt. Ich habe keine Zeit für Krieg, ich nehme mir Zeit für den Frieden.
Resignieren ist keine Option.
Friedensarbeit ist auch zuhören können. Zuhören kann ich wenn ich bei mir bin und mich in mir selbst (auch unter widrigsten Umständen) sicher fühlen kann.
Mir selbst zuzuhören, mich ernst - und an die Hand zu nehmen war genauso wichtig wie mich an die Hand nehmen lassen, zu vertrauen und meinen Wegbegleiter*innen zu zuhören.
An was ich felsenfest glaube und mir Mut macht: wenn du und ich unsere innere Friedensarbeit machen, leisten wir einen wesentlichen Beitrag zum Frieden in der Welt.

Ich freue mich sehr auf das nächste Jahr. In der letzten Jahreshälfte habe ich gemeinsam mit Manuel neue Angebote kreiert in denen wir Menschen auf ihrem Weg begleiten werden. Dass unsere Berufungen uns immer mehr zum gemeinsamen Wirken bewegen begeistert mich! Zu teilen was uns selbst freier, aufrechter, selbstbewusster, berührbar-stark und zuFrieden macht ist einfach ein Geschenk.
Mein Wunsch für’s 2023: Mögen Alle die sich gerufen fühlen in ihren „Keller“ gehen und den Mut haben ihre innere Friedensarbeit anzugehen. Und lasst es uns gemeinsam machen - weil es alleine einfach nicht geht.
Mein Teppich ist ausgerollt. Ich bin bereit.

PS: wenn du meine und Manuel’s Arbeit kennst und wertvoll findest, dann empfehle uns gerne weiter oder nutze unsere Angebote auch gerne für Dich. Wir sind auf Mund zu Mund - Empfehlungen angewiesen und möchten wirklich etwas bewegen.
Auf ein friedvolles 2023 - Herzlichen Dank!





In welchem Film warst du im 2022?

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Um das ganze „Geschenk“ geniessen zu können:
  • Räume dir genügend Zeit ein
  • Lade jemanden ein, das auch für sich zu machen um danach austauschen zu können
  • Mach es dir schön, zum Beispiel mit einem Glas Tee und Kerzenlicht
  • Hol dir Schreibzeug und notiere deine Antworten in Ruhe

  1. wenn dein 2022 ein Film wäre: was ist das Genre und wie heisst er?
  2. was war so richtig harzig - und wie hast du das trotzdem gemeistert?
  3. hast du Tränen gelacht? - wenn ja: wann, wo, mit wem (wenn nicht: Link)
  4. Welches Buch, welches Werk, welcher Film… hat dich besonders beeindruckt?
  5. Was hast du geschafft und bist stolz darauf?
  6. Wofür hast du dir zuwenig Zeit genommen?
  7. Welche Beziehung haben dich am meisten beglückt? Wodurch?
  8. Was sind deine 3 Hightlight’s?
  9. Wer oder was hat dich absolut auf die Palme gebracht? Ist es verdaut?
  10. Was war die grösste Überraschung?
  11. Habe ich neue Freunde dazugewonnen, haben sich Wege getrennt?
  12. Von was oder wem hast du Abschied nehmen müssen?
  13. Wer oder was hat dich inspiriert oder gar dein Weltbild verändert?
  14. Womit hattest du Unrecht und hast du jemanden Unrecht getan?
  15. Wofür bist du besonders dankbar?
  16. Was hat dich enttäuscht? Kannst du rückblickend etwas positives darin sehen?
  17. Mit wem oder was möchtest du in Frieden kommen?
  18. Was war deine grösste Herausforderung und was war spannend daran?
  19. Hat sich ein Wunsch erfüllt?
  20. Ist ein Traum in Erinnerung geblieben?
  21. Hast du etwas Neues gelernt?
  22. Welche sinnlichen Erfahrungen tauchen als erstes auf wenn du ans vergangene Jahr denkst: Düfte, Geschmackserinnerungen, Berührt-sein, innere Bilder…

  • Lies deine Antworten nochmals durch und spüre nach, was für eine Stimmung entsteht, was sich zeigt und was sich (noch) versteckt…
  • Pflücke aus all den Erkenntnissen und Gedanken die wesentlichen Aspekte. Vielleicht erkennst du einen roten Faden?
  • Schreibe einen kurzen Pressetext für deinen Lebensfilm 2022 (mit Titel und Genre, den wesentlichen Darstellern und allem was dazugehört)
  • Schreibe nun noch ein paar Worte zu der Fortsetzung die du im 2023 erleben möchtest. Gibt es einen Genre-Wechsel, ein neues Thema das auftaucht, neue Protagonist*innen und was für eine Atmosphäre, was für ein Gefühl soll die Fortsetzung vermitteln?
  • Erzählt euch anschliessend von eurem Lebensfilm 2022 und der gewünschten Fortsetzung im 2023

Mögen sich deine Wünsche erfüllen!